Michèle Reverdy

*  12. Dezember 1943

von Emmanuel Reibel

Essay

I. Anfänge

Reverdys »opus 1« – Cante jondo für weibliche Stimme und sieben Instrumentalisten (auf drei Gedichte von Federico García Lorca, 1974; rev. 1980) – beginnt und endet mit einem Klageruf oder Schrei (Nbsp. 1). Gleich zu Beginn identifizieren wir klangfarblich differenzierte Schlaginstrumente und eine atonale Musiksprache, deren Ästhetik kompositorische Kombinatorik mit Ausdruck vereint. Diese lyrisch-poetische, die verzweifelte Einsamkeit García Lorcas verherrlichende Welt findet man ähnlich bei den Hauptfiguren ihrer späteren Opern wieder – von K wie Kafka in der Titelrolle der Oper Château (nach Franz Kafka, 1980/86) über den in seinem geistigen Universum dramatisch isolierten Vincent van Gogh (Vincent ou la haute note jaune, 1984; rev. 1989) bis hin zu Médée (nach Christa Wolf, 2001/02).

Die darauf folgenden Werke Reverdys, die Trois Pièces für Bassklarinette, weibliche Stimme und Schlagzeug (1975) bis zu Météores für 17 Instrumentalisten (1978), sind überwiegend instrumental und zeichnen sich durch eine ungewöhnliche energetische Intensität aus. Die Komponistin sagte dazu später, dass diese möglicherweise auf den ihr damals unbewussten Wunsch zurückzuführen sei, ihre angeborene Schüchternheit zu überwinden, um sich als junge Komponistin der Avantgarde, innerhalb derer sie sich einen Platz erkämpfen musste, ebenbürtig zu zeigen. ...